Wie wird Protest zur politischen Veränderung, Christoph Bautz?
Shownotes
Mehrheit gegen Rechts? Campact-Gründer Christoph Bautz hat 45 Kraftwerke verhindert, jetzt kämpft er gegen die AfD.
Politisiert haben ihn Kröten, zu Tränen gerührt hat ihn der Aufstand der Anständigen: Campact-Gründer Christoph Bautz spricht in der neuen Folge von „Damit die Guten gewinnen“ übers Zusammenhalten gegen die Angst, über zivilen Ungehorsam und über Strategien gegen den Rechtsruck im Land. "Damit die Guten gewinnen" wird produziert von ASK. Zustimmungs-Manufaktur.
Highlightthemen der Folge:
• Emotional bewegende Protestmomente: Christoph Bautz teilt seine persönlichsten Erfahrungen aus zahlreichen Großdemonstrationen – vom "Aufstand der Anständigen" mit 250.000 Menschen im Regierungsviertel bis zu den ersten Klimademonstrationen.
• Vom Naturschützer zum Aktivisten: Wie eine WWF-Ausstellung und das Retten von Kröten einen 10-jährigen zum lebenslangen Engagement führten und später zur Gründung eines Naturschutzzentrums auf 80 Hektar Streuobstwiesen.
• Die Gründungsgeschichte von Campact: Inspiriert von der US-Organisation MoveOn entwickelte Bautz ein neues Modell politischer Beteiligung, das heute über 4 Millionen Menschen im deutschsprachigen Raum erreicht.
• Wirksamer Protest: Bautz erklärt, wie der Hambacher Wald gerettet und 45 von 60 geplanten Kohlekraftwerken verhindert wurden – und welche Rolle dabei das Zusammenspiel aus Massenmobilisierung, wissenschaftlichen Gutachten und zivilem Ungehorsam spielte.
• Strategien gegen Rechts: Warum Campact mittlerweile auch parteipolitisch Stellung bezieht und in bestimmten Wahlkreisen demokratische Kandidaten unterstützt, um die AfD von Sperrminoritäten fernzuhalten.
• Gesellschaftlicher Zusammenhalt: Warum progressive Bewegungen stärker soziale Fragen in den Mittelpunkt stellen müssen, um Menschen in Zeiten von Abstiegsängsten und Verunsicherung zu erreichen.
Die Folge gibt tiefe Einblicke in die Mechanismen erfolgreicher politischer Mobilisierung und zeigt, wie aus emotionalen Momenten nachhaltige Veränderungen entstehen können. Ein inspirierendes Gespräch über die Macht kollektiven Handelns und die Bedeutung von Zivilcourage in schwierigen Zeiten. "Wir haben eine breite Mehrheit in ganz Deutschland gegen Extremismus. Wie schaffen wir es, dass diese bestehen bleibt und nicht erodiert? Denn wenn wir das schaffen, kann uns nicht viel passieren." – Christoph Bautz
Die ganze Folge auch auf Youtube: https://youtu.be/JuQ1MW-Ltmk?feature=shared
Links & Kontakt:
• Campact: https://www.campact.de • ASK Berlin: https://www.ask-berlin.de • LinkedIn Christoph Bautz: https://www.linkedin.com/in/christoph-bautz • LinkedIn Thomas Mühlnickel: https://www.linkedin.com/in/thomas-mühlnickel-75048a176/
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00:00:00: Weil die Zeiten rufen danach. Die rufen danach, politisch aktiv zu werden.
00:00:03: Die rufen danach, nicht einfach die Verhältnisse als gegeben hinzunehmen.
00:00:09: Und wir sehen es ja auch in anderen Ländern.
00:00:10: Wenn ich nach Polen sehe, wenn ich nach Brasilien sehe, da ist es auch gelungen,
00:00:15: Rechte wieder zurückzudrängen.
00:00:17: Und das ist sehr viel auch über Engagement auf der Straße passiert.
00:00:22: Zwei Wochen vorher waren noch 12.000 auf der Straße für die Ukraine.
00:00:26: Dritter Jahrestag. Und wir hatten gedacht, das verdoppeln wir jetzt mal einfach.
00:00:29: Und das hat halt nicht funktioniert.
00:00:31: Und das ist schon sowas, wo man dann ehrlich analysieren muss, an was lag es.
00:00:35: Hätten wir eigentlich 48 Stunden nach der Sache im Opel Office sofort raus auf
00:00:40: die Straße, nicht so professionell, nicht so breit, aber die Leute in dem Moment abholen.
00:00:45: Und ich glaube, das ist ganz häufig auch für gutes Campaigning immer wieder
00:00:49: wichtig, optimales Timing, im richtigen Moment da sein.
00:00:53: Die Kipppunkte, die es beim Klima zum Negativen gibt, die gibt es gesellschaftlich
00:00:57: eben auch zum Positiven.
00:01:00: Und an diesen Kipppunkten mitzuwirken, Kipppunkte zum Guten,
00:01:05: das ist etwas, was mir dann wieder Mut macht.
00:01:09: Music.
00:01:19: Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von Damit die Guten gewinnen, dem Podcast von ASK.
00:01:25: Ich bin Thomas Mühlnickel und habe mich heute getroffen mit Christoph Bautz,
00:01:29: dem Gründer und Geschäftsführer von Campact.
00:01:31: Beginnend auf Streuobstwiesen und mit Demos gegen Flughäfen hatte Christoph
00:01:36: ab 2004 die größte Kampagnenplattform Deutschlands mit über 4 Millionen Newsletter-Empfängern aufgebaut.
00:01:42: Wir haben uns unterhalten über den Rechtsruck in Deutschland,
00:01:45: den Stand der Koalitionsverhandlungen und wie es ist, auf einer Demo mit mehreren
00:01:49: hunderttausend Leuten auf der Bühne zu stehen.
00:01:52: Ich freue mich schon auf eure Kommentare und Mails zu dieser Folge und jetzt
00:01:55: erstmal viel Spaß beim Reinhören.
00:01:58: Herzlich willkommen, Christoph. Ich freue mich sehr, dass du heute da bist.
00:02:01: Ja, hallo. Schön. Wer sind für dich die Guten?
00:02:05: Die Guten? Ich würde sagen, wenn ich auf einer Großdemonstration bin,
00:02:12: wie der Aufstand der Anständigen,
00:02:14: 250.000 Leute im Regierungsviertel gegen diesen Tabubruch des Friedrich Merz
00:02:19: und da sehe, gucke ich runter ins Publikum, darf eine Rede halten und sehe die Menschen da mit, ja,
00:02:27: wie viel Entschlossenheit die häufig da sind,
00:02:29: wie viel Herzblut da dran hängt, wie viele kreative Schilder die gemacht haben.
00:02:33: Sind da schon ganz schön viele Gute drunter.
00:02:37: Und ich glaube, ja, das berührt mich dann immer wieder. Manchmal muss ich da
00:02:40: echt auf der Bühne mit den Tränen
00:02:42: kämpfen, auch dann am Ende vor dem Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Zentrale.
00:02:49: Alle singen nochmal zusammen. Es gibt die Handylichter und so ein Lichtermeer.
00:02:54: Das sind echt so Gänsehaut-Momente und dann glaube ich wieder dran.
00:02:57: Man kann was bewegen und man kann auch was fürs Gute bewegen. Das,
00:03:02: Also die Bilder waren wirklich fantastisch. Ich habe das auf TikTok ganz viel
00:03:05: dazu gesehen. Also gerade als gesungen wurde, das war schon wirklich sehr, sehr besonders.
00:03:10: Da musst du dich ja oder könntest du dich ja fast schon wie so ein Aktivisten-Rockstar
00:03:14: fühlen, sowas auch mit aufgebaut zu haben, so große Demonstrationen zu stemmen nach 20 Jahren Camping.
00:03:19: Ja, das ist schon dann berührend, wenn man sieht, wie viele Menschen dann sagen
00:03:25: ganz kurzfristig, oh, ich bin ja dabei.
00:03:27: Und ich kann mich häufig bei so Großprotesten noch an das allererste Telefonat
00:03:32: erinnern. Also damals Ukraine-Krieg, 500.000 auf der Straße.
00:03:37: Und der Geschäftsführer von
00:03:39: Greenpeace ruft zurück und ich stehe bei uns auf dem Land im Schafstall.
00:03:44: Die Schafe im Hintergrund, wo bist denn du gerade, Christoph?
00:03:48: Ja, das sind unsere Schafe.
00:03:49: Und ich sage, wir müssen jetzt raus auf die Straße.
00:03:53: Da braut sich was zusammen. Das war noch bevor die Panzer rollten.
00:03:56: Und dann haben wir sehr schnell ein Bündnis zusammengeschoben.
00:03:58: Deswegen haben wir das auch nur hingekriegt, 500.000 auf der Straße.
00:04:01: Aber das sind so die Momente, wenn man noch so heißt, der erste Anruf und dann
00:04:04: sind da 500.000 gegen TTIP oder Atomkraftausstieg oder die großen Klimademonstrationen.
00:04:12: Und das hat man schon ein bisschen den Eindruck auch von Selbstwirksamkeit.
00:04:17: Und es ist einfach auch total ermutigend, wie viele Leute da mit einsteigen
00:04:22: und so schnell dabei sind. Und ich glaube, das ist das Schöne auch an Campact,
00:04:25: dass wir diesen riesen Verteiler haben und dann vier Millionen Leute anschreiben
00:04:29: können und sagen, Leute, hier ist gerade wieder was Krasses passiert.
00:04:33: Wir sind gefragt, wir sind auf den Straßen gefragt und das ist nur möglich,
00:04:36: wenn ihr spendet, das ist nur möglich, wenn ihr auf die Straße geht,
00:04:38: das ist nur möglich, wenn ihr mobilisiert.
00:04:40: Und ja, das ist toll zu sehen, wie hoch die Bereitschaft dann häufig ist.
00:04:44: Damit geht ja auch eine Menge Verantwortung einher für euch,
00:04:47: zu entscheiden, wann sind wir dabei oder wann starten wir etwas oder wann lassen
00:04:51: wir es auch sein, weil man im falschen Moment nichts tut.
00:04:53: Kann es einem ja auch auf die Füße fallen. Ja, auf jeden Fall.
00:04:56: Und es gibt schon Themen, die sind einfach schwierig zu kampagnen.
00:04:59: Ich meine, wir diskutieren gerade über die Schuldenbremse und ich erinnere mich
00:05:04: noch gut, wie das damals um 2010 rum beschlossen wurde.
00:05:08: Und wir haben schon damals gesagt, das ist nicht der richtige Schritt.
00:05:11: Aber die Menschen, auch in der progressiven Linken, damals noch sehr stark vom
00:05:17: neoliberalen Zeitgeist geprägt, Schulden sind böse, auch wenn sie für Investitionen sind.
00:05:23: Und es war damals nicht möglich zu kampagnen. Wir fragen ja immer unseren Verteiler,
00:05:27: damals waren es noch nicht vier Millionen, was denkt ihr zu diesem und jedem Thema?
00:05:31: Und das ist vielleicht auch eine Schwäche von uns, dass wir nur zu den Themen
00:05:35: arbeiten können, wo viele Leute auch sagen, ja, ich will da jetzt was machen.
00:05:39: Und bei so einem ja sehr komplexen Thema Schuldenbremse, wo viele Leute verunsichert
00:05:43: sind, da war es damals total schwierig möglich.
00:05:47: Und das hat uns riesige Probleme gebracht. Also dass die AfD heute so stark
00:05:50: ist, ist auch eine Folge der Schuldenbremse und dass so viel kaputt gespart
00:05:55: wurde, dass die FDP auch diese Ampel crashen lassen konnte.
00:05:58: Also die Folgen sind immens und da ist natürlich eine Verantwortung.
00:06:02: Da macht man das dann trotzdem.
00:06:04: Ich kann mich gut erinnern, Thema Kohlekraft, da haben wir einfach gesagt, das ist so elementar.
00:06:08: Damals in den Nullerjahren waren ja noch 60 Kohlekraftwerke geplant,
00:06:11: neu zu bauen, totaler Wahnsinn.
00:06:13: Und wir haben gesagt, wir gehen ja jetzt rein in das Thema. Über Klima ging
00:06:16: es nicht. Man konnte nur vor Ort Proteste organisieren, weil die Leute Angst vor Feinstaub hatten.
00:06:21: Und dann sind wir da reingegangen und haben gesagt, das machen wir jetzt einfach trotzdem.
00:06:24: Und haben, ich glaube, 45 Kraftwerke verhindert. Nur 15 wurden gebaut von den geplanten 60.
00:06:31: Es hat sich gelohnt, aber das ist immer wieder schwierig.
00:06:34: Es ist eine große Verantwortung, auf welches Thema geht man und wie stark geht
00:06:38: man da rein. und wo sagt man, man muss Agenda-Setting machen und Thema auch
00:06:42: aufbauen und wo sagt man, wir sind halt eher der Verstärker,
00:06:44: der in so einem Moment dann die Leute abholt.
00:06:47: Und gleichzeitig hast du als Gründer und Geschäftsführer.
00:06:51: Vielleicht sogar mehr Wirksamkeit als so manche Politiker in Deutschland. Ja, ich glaube schon.
00:06:56: Also man kann Campact anschauen, man kann aber auch insgesamt Protestbewegungen anschauen.
00:07:01: Ich glaube, sehr häufig ist die Wirkung auf die längere Sicht gesehen sehr, sehr groß.
00:07:07: Also hätten wir heute einen 40-Stunden-Tag oder eine 40-Stunden-Woche ohne eine Arbeiterbewegung.
00:07:17: Dass Frauen damals auf die Straße gegangen sind fürs Wahlrecht.
00:07:20: So, heute nicht mehr zu denken.
00:07:22: Die ganze Ökologiefrage, der Atomausstieg, das hat 40 Jahre gedauert.
00:07:26: So viele Kastro-Transporte, so viele Großdemonstrationen vor und zurück.
00:07:31: Aber am Ende sind wir aus dieser Atomkraft ausgestiegen und sind in Erneuerbare eingestiegen.
00:07:37: Und man sieht es ja auch an der Klimabewegung nicht. Damals waren 1,4 Millionen
00:07:40: Leute auf der Straße und eine große Koalition damals unter Merkel musste ein
00:07:46: Klimaschutzgesetz machen, musste aus der Kohle aussteigen.
00:07:49: Ja, man sieht ja, wie einflussreich Protest ist an der Klimabewegung.
00:07:53: Damals 1,4 Millionen Menschen auf der Straße.
00:07:57: Da musste eine Regierung Merkel damals den Kohleausstieg beschließen,
00:08:02: ein Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen. In Europa ist der gesamte Green Deal entstanden.
00:08:07: Das wird häufig übersehen, wie groß eigentlich dieses europäische Klimaschutzprojekt ist.
00:08:14: Und heute sind halt nicht mehr die Massen auf der Straße fürs Klima.
00:08:18: Und die Grünen sind die letzten, die noch halbwegs die Fahne dafür hochhalten.
00:08:22: Und in den Sondierungsgesprächen jetzt zur nächsten großen oder kleinen großen Koalition.
00:08:29: Es hat fast nichts mehr über das Klima drin. Und das sieht man an dem,
00:08:33: da und da ist Bewegung wirklich am Treiben und einflussreich.
00:08:37: Und wenn sie aber weg ist oder in der Krise ist, wie die Klimabewegung gerade,
00:08:41: dann wird es verdammt schwierig.
00:08:42: Wir müssen dazu kurz sagen, wir zeichnen am 10. März auf. Es liegt gerade das
00:08:46: Sondierungspapier von CDU, CSU und SPD auf dem Tisch.
00:08:49: Sie steigen gerade in Koalitionsverhandlungen ein. Es gibt riesige Diskussionen
00:08:52: über die Schuldenbremse. Wie machen wir weiter? Es ist noch unklar,
00:08:55: sind die Grünen dabei oder nicht?
00:08:57: Vermutlich, wenn wir draußen sind mit dieser Folge, sind viele Fragen davon
00:08:59: schon geklärt. Also insofern, die Hörenden wissen jetzt wahrscheinlich mehr
00:09:03: als wir beide in dieser Sekunde.
00:09:05: Aber das kurz zur Einordnung, wo wir gerade stehen.
00:09:08: Ich möchte gleich unbedingt noch mit dir weiterreden über die Frage,
00:09:11: wie beliebt und unbeliebt ihr auch bei manchen Lobbygruppen seid,
00:09:14: auch bei bestimmten politischen Gruppierungen und warum es so wichtig ist,
00:09:17: dass ihr Dinge in Gang bringt und mobilisiert.
00:09:21: Ich würde aber gerne erst einen Schritt zurückgehen, nämlich 40 Jahre zurück.
00:09:25: Du hast schon sehr, sehr jung angefangen, immer wieder aktivistisch dich zu
00:09:28: engagieren. Das scheint irgendwie in der Dritt zu stecken.
00:09:30: Wie ging das bei dir selber los? Am Frankfurter Flughafen?
00:09:35: Ich war da in der vierten Klasse, den Flughafen anschauen und da war eine Ausstellung
00:09:41: von BWF und ich habe mich damals total für große Tiere in Afrika interessiert.
00:09:49: Und da war da dieses Bild vom Gorilla, aber der Kopf war abgetrennt.
00:09:55: Und es ging damals so um Souvenirs und was man alles so an tropischen Tieren reinholt.
00:10:00: Der WWF wollte warnen und ich habe plötzlich festgestellt, oh,
00:10:02: diese Tiere, die ich da aus den Kinderbüchern kenne, denen geht es ja gar nicht
00:10:07: so gut, wie sie da abgebildet sind, sondern da ist ja richtig ein Problem.
00:10:12: Da muss man doch was tun. Und dann habe ich dem WWF geschrieben und ich will
00:10:15: Spenden sammeln. Was kann ich für euch machen?
00:10:18: Zieh in die Regalase. Aber das war so ein bisschen der Moment,
00:10:23: wo ich, ja, die Welt ist nicht nur voll von Guten, sondern die Welt ist voller
00:10:29: Missstände und man muss das tun.
00:10:31: Und dann habe ich Kröten über die Straße getragen, die sonst überfahren worden
00:10:35: wären und Kröten fangen zu zauen.
00:10:37: Dann habe ich mich darüber so, ja...
00:10:40: Die Autos sind vielleicht nicht nur ein Problem für die Kröten,
00:10:43: sondern vielleicht auch ein bisschen drüber hinaus.
00:10:44: Und so habe ich mich immer mehr politisiert und immer grundlegender Fragen gestellt
00:10:48: und mich dann lange vor allem für Ökologiethemen interessiert und dann aber
00:10:53: dort auch irgendwann festgestellt, oh,
00:10:56: ja, vieles passiert durch größere Rahmenbedingungen, durch Globalisierungsprozesse,
00:11:00: dadurch, dass es Konkurrenz gibt zwischen Ländern. Wer hat denn hier die niedrigsten Umweltstandards?
00:11:04: Man muss eigentlich mehr insgesamt auch an dieses Globalisierungsthema dran
00:11:08: und da brauchst du veränderte Rahmenbedingungen.
00:11:10: Und so kam Schritt schon Schritt zusammen, dass ich irgendwann gesagt habe,
00:11:14: okay, ich mache Politik zu dem, was ich von morgens bis abends tue und auch gemerkt habe,
00:11:21: ja, auf die Straße gehen lohnt sich und macht einen Unterschied.
00:11:24: Ich war das erste Mal auf der Straße.
00:11:26: NATO-Doppelbeschluss Anfang der 80er Jahre. Der Rektor, humanistisches Gymnasium,
00:11:31: wollte nicht, dass wir da hingehen,
00:11:32: hat sämtliche den ländlichen Zaun außenrum verschlossen und dann sind wir irgendwo
00:11:37: drüber gekrabbelt, über den Zaun zu dieser Demo zu kommen. Das war so mein erstes Demo-Erlebnis.
00:11:42: Es fing aufregend an, aber es hat eben auch eine Generation geprägt und mich
00:11:46: auch und so ging alles mal los.
00:11:50: Und ein gewisser Mut und Abenteuerlust gehören dann ja auch dazu.
00:11:53: Ich habe gelesen, du hast mit Anfang 20 80 Hektar Obstwiesen gekauft,
00:11:56: um so ein Naturzentrum aufzumachen.
00:11:58: Ich habe einen Verein gegründet mit Mitstudenten, habe Biologie studiert.
00:12:03: Und gerade so im hessischen oder im baden-württembergischen Raum gibt es ja
00:12:07: wirklich großflächig Streuobstwiesen.
00:12:10: Und es ist eine alte Nutzungsform, die eigentlich heute wieder hochaktuell ist.
00:12:13: Gerade auch in Zeiten von Klimakrise, wieder mit Obst von vor Ort sich ernähren,
00:12:19: mehrstufig, mehreren Ebenen Landwirtschaft denken.
00:12:22: Und für die Straußwiesen hat sich niemand mehr interessiert.
00:12:25: Und dann habe ich mit Studenten einen Verein gegründet und habe gesagt,
00:12:29: wir müssen das wieder vermarkten.
00:12:30: Da müssen wieder Schafe auf die Fläche. Wir wollen Saft draus machen.
00:12:33: Wir wollen das den Kindern in der Schule zeigen. Und deswegen haben wir Umweltbildung gemacht.
00:12:37: Und ein Streuhauswiesenzentrum entstehen lassen, wo heute, ich glaube, 20 Leute arbeiten.
00:12:41: Das gibt es immer noch. Das gibt es heute immer noch. Ist richtig aktiv.
00:12:45: Ich bin auch immer noch mit denen in Kontakt und unterstütze nochmal an Stellen.
00:12:49: Und ja, wenn man selber was anstößt, losmacht, kann man auch einen Unterschied machen.
00:12:58: Und das ist halt das Schöne an so einem Naturschutzding.
00:13:02: Ja, man sieht so richtig, was der Unterschied ist. Wir haben damals 3000 Bäume
00:13:06: gepflanzt und jetzt sind die Bäume 25 Jahre alt und oben sitzt der Wendehals
00:13:13: oder der Gartenrotschwanz oder der Grünspecht.
00:13:18: Und man sieht so richtig konkret, was es bringt. Und das ist ein bisschen der
00:13:22: Unterschied zur Politik.
00:13:23: Da ist sehr multifaktoriell. Warum wird denn jetzt Klimaschutz beschlossen, der Kohleausstieg?
00:13:32: Da gibt es ganz viele Schritte und da gibt es hier das wissenschaftliche Gutachten
00:13:35: und da die Protestaktion, ziviler Ungehorsam in der Kohlegrube und da die 50.000 am Hambacher Wald.
00:13:43: Und man kann nicht so eins zu eins sagen, ah, ich habe den Baum gepflanzt,
00:13:46: dann sitzt da der Gartenrotschwanz, sondern es sind immer ganz viele Faktoren
00:13:50: und man kann schon am Ende sagen, irgendwie hat man einen Einfluss gehabt da drauf,
00:13:54: aber das macht es manchmal schwieriger, wirklich so zu sehen,
00:13:56: ah ja, das ist es, was den Unterschied gemacht hat.
00:13:59: Naja, man sieht ja auch 12, 13, 14 Euro Mindestlohn, die sieht man nicht direkt irgendwo.
00:14:05: Die sind am Ende irgendwie in der Statistik und man nimmt wahr,
00:14:09: dass es Leuten vielleicht besser geht damit, aber es ist nicht so,
00:14:11: sodass man es halt direkt als Ergebnis sieht, wie du jetzt mit den Bäumen,
00:14:13: die über die Jahre gewachsen sind und Vögel angezogen haben. Ja, genau.
00:14:18: Ich glaube, du bist Profi darin. Wenn jetzt jemand sagt, ich möchte gerne was
00:14:24: tun, aber was kann ich als einzelne Person denn schon machen?
00:14:26: Wie kann ich mich denn jetzt einbringen? Was kann ich tun?
00:14:29: Du bist doch als bestimmter Oberprofi, uns zu erklären, mit welchen Tipps man
00:14:32: loslegen kann, auch alleine.
00:14:34: Nein, ich habe schon den Eindruck, es bewegt sich gerade wieder was im Land.
00:14:37: Wenn wir gesehen haben, die großen Proteste gegen die AfD, die erste große Welle
00:14:43: Januar, Februar letzten Jahres, jetzt wieder.
00:14:47: Und da sind ganz viele Leute das erste Mal in ihrem Leben auf eine Demo gegangen.
00:14:52: Habe ich mir nie hingetraut, aber alle in meinem Umfeld gehen da hin.
00:14:56: Das mache ich jetzt auch mal. Und das ist, glaube ich, für viele Menschen auch der Einstieg.
00:15:01: Überall im Land gründen sich gerade Omas gegen Rechts, Studis gegen Rechts.
00:15:08: Initiativen vor Ort und das ist total wichtig. Und ich glaube,
00:15:12: das ist schon ein guter Punkt, wo man einsteigen kann.
00:15:15: Vor Ort aktiv werden, schauen, wo gibt es Strukturen, wo entsteht gerade was.
00:15:20: Vorher war das ja mit Fridays for Future so, die hatten 450 Ortsgruppen.
00:15:24: Da sind dann auch nicht nur ganz junge Leute da gewesen, sondern da haben sich
00:15:27: auch viele Supportstrukturen. Auch da ist so ein Bewegungsmoment gewesen.
00:15:31: Und mit Campag, das war schon auch die Idee, dass wir sagen,
00:15:35: wir wollen eigentlich Menschen, die jetzt nicht so viel Zeit haben,
00:15:38: um jede Woche dreimal in eine Bürgerinitiative zu gehen, Möglichkeiten aktiv zu werden.
00:15:43: Das ist so ein bisschen auch die Idee, bei uns auf dem Verteiler zu sein und
00:15:47: dann immer wieder aufgefordert zu werden, hier, geh zu deinem Abgeordneten,
00:15:51: dann und dann bei dir in der Innenstadt oder hier der Protest von Fridays for
00:15:54: Future bei euch auf dem Marktplatz oder hier anrufen.
00:15:59: Koalitionsverhandlungen, die haben dieses und jenes vor. Wenn jetzt tausend
00:16:02: Leute aus dem ganzen Land anrufen, dann.
00:16:05: Oder geh eben hier demonstrieren oder eben auch mach mal zivilen Ungehorsam
00:16:09: an der Stelle, wo es gut begründet ist.
00:16:12: Und ich glaube, das ist auch so ein bisschen bei uns die Idee,
00:16:14: wir nennen das häufig so Letter of Engagement, also die Leute auf so einer Leiter
00:16:18: des Engagements mitnehmen, die dann das erste Mal in ihrem Leben sagen,
00:16:23: ich melde mich jetzt bei so einer Runde mit dem Abgeordneten und sag mal was.
00:16:29: Und also solche Selbstwirksamkeitsmomente auch zu haben.
00:16:33: Ja, und ich glaube, das sind so Punkte, wo man ganz gut einsteigen kann und
00:16:37: was machen kann, weil die Zeiten rufen danach.
00:16:40: Die rufen danach, politisch aktiv zu werden.
00:16:42: Die rufen danach, nicht einfach die Verhältnisse als gegeben hinzunehmen.
00:16:48: Und wir sehen es ja auch in anderen Ländern, dass wenn ich nach Polen sehe,
00:16:51: Wenn ich nach Brasilien sehe, da ist es auch gelungen, Rechte wieder zurückzudrängen.
00:16:56: Das ist sehr viel auch über Engagement auf der Straße passiert.
00:17:03: Und wir werden echt schauen müssen, dass wir nicht dahin kommen und dafür braucht
00:17:09: es Leute, die was machen.
00:17:10: Mich beeindruckt immer die Geschichte von Michel Friedmann, guter Bekannter von mir.
00:17:15: Wenn er sagt, dieser Satz, was kann ein Einzelner schon tun,
00:17:18: dass er den einfach nicht gelten lassen kann.
00:17:20: Wenn er dann die Geschichte erzählt von Oskar Schindler, auf dessen berüchtigter
00:17:24: Liste seine Eltern und seine Großmutter standen.
00:17:27: Und er sagt, ja, da hat ein Einzelner etwas getan. Ein Einzelner kann was bewirken.
00:17:31: Und man muss nur nachdenken, was kann ich selber tun für die Gesellschaft oder
00:17:34: was kann ich selber Gutes bewirken. Und dann findet sich auch etwas.
00:17:37: Ist, wenn man sich bei euch engagiert oder bei euch einfach nur auf dem Verteiler
00:17:42: steht, ist es ja nicht so, dass alles, was Campact vorhat, muss ich auch unterstützen,
00:17:47: sondern ich kann ja auch selber einfach auswählen,
00:17:49: welche Petition ich mag, was mich interessiert, wofür ich mich engagieren möchte,
00:17:53: was auch vielleicht gar nicht mein Thema ist oder wo ich es auch anders sehe
00:17:56: als Campact und einfach still sein, nichts tun. Das geht ja.
00:17:59: Man muss ja nicht bei euch wie in einer Partei quasi stramm das ganze Programm
00:18:02: verteidigen. Auf jeden Fall.
00:18:04: Das ist auch ein Stück weit die Idee. Wir sind links progressiv Also so ein
00:18:08: rot-rot-grünes Milieu ist, glaube ich, vor allem bei uns im Verteiler.
00:18:14: Philipp Amthor kommt eher nicht vorbei. Philipp Amthor ist vielleicht nicht
00:18:16: der größte Fan von uns, aber es gibt auch immer wieder CDU-PolitikerInnen.
00:18:20: Also gestern Abend war noch Kiesewetter auf einer Demo, die wir organisiert haben von der Union.
00:18:25: Oder Michael Friedmann hat genau vor dem Bundestag vor sechs Wochen auf einer
00:18:30: Demo, die wir organisiert haben, mit 250.000 Leuten gesprochen und erklärt,
00:18:34: warum er gerade auf der CDU ausgetreten ist.
00:18:37: Ausgründen, Tabubruch und so weiter. Aber ja, das ist genau so was,
00:18:44: wo wir, glaube ich, auch viele Leute sagen, ja, macht was und steigt womit ein.
00:18:50: Wenn man hört, was ihr in 20 Jahren aufgebaut habt mit Campag,
00:18:54: das ist schon beeindruckend.
00:18:56: Aber mit Sicherheit gab es doch auch Rückschläge. Es gab doch sicherlich auch
00:18:59: Kampagnen, die einfach in die Hose gegangen sind oder die ihr im Nachhinein
00:19:01: vielleicht auch selber auch als falsch betrachtet.
00:19:03: Wie gehst du damit um, wenn Dinge dann am Ende nicht funktionieren.
00:19:07: Naja, wenn man ehrlich ist, gestern haben wir eine Solidarität für die Ukraine
00:19:13: organisiert und wir hatten den Eindruck nach diesen erschütternden Ereignissen beim Oval Office,
00:19:22: wo Zelensky von Trump da so abgecancelt wurde und jetzt die Unterstützung für
00:19:27: die Ukraine wegbricht, muss man doch raus auf die Straße.
00:19:31: Und es sind aber nicht die angemeldeten 5000 gekommen, sondern es sind weit
00:19:34: weniger gekommen. Und das ist schon so ein Moment gewesen.
00:19:37: Tolles Bühnenprogramm, tolle Reden, Breite der Zivilgesellschaft abgebildet
00:19:41: von allen demokratischen Parteien, Leute dabei.
00:19:44: Aber es war nicht so groß, wie wir es dachten. Und kommt glaube ich auch stark.
00:19:49: Am Tag vorher war internationaler Frauentag, da war halb Berlin auf der Straße.
00:19:53: Viele Leute gefeiert und zweimal am Wochenende auf die Straße gehen ist hart.
00:19:59: Und die einen oder anderen sind eben auch unsicher. Wie soll ich mich positionieren
00:20:03: zur Frage von Waffen? Macht es auch nicht einfach.
00:20:07: Und ja, zwei Wochen vorher waren noch 12.000 auf der Straße für die Ukraine.
00:20:12: Dritter Jahrestag. Und wir hatten gedacht, das verdoppeln wir jetzt mal einfach.
00:20:15: Und das hat nicht funktioniert.
00:20:17: Und das ist schon sowas, wo man dann ehrlich analysieren muss, an was lag es.
00:20:21: Hätten wir eigentlich 48 Stunden nach der Sache im Oval Office sofort raus auf
00:20:26: die Straße, Also nicht so professionell, nicht so breit, aber die Leute in dem Moment abholen.
00:20:31: Ich glaube, das ist ganz häufig auch für gutes Campaigning immer wieder wichtig,
00:20:36: optimales Timing, im richtigen Moment da sein.
00:20:40: Und das war da nicht der Fall gewesen. Und wo ich sage, es war immer noch gut,
00:20:44: dass wir es organisiert haben.
00:20:46: Aber es war auch ein Zeichen, aber es hat halt nicht den Wumms gebracht,
00:20:50: den ich mir erhofft hatte.
00:20:52: Und da muss man eben auch immer wieder kritisch reflektieren,
00:20:55: wir hätten das besser machen sollen. Was lernen wir daraus?
00:20:59: Wie bauen wir ein besseres Bündnis?
00:21:01: Ich erfahre das in unseren Kampagnen selbst auch immer. Es ist auch immer eine Frage von Emotionen.
00:21:07: Emotionen mobilisieren, aber eben auch nicht ewig, sondern in dem Moment,
00:21:10: wo die Emotionen da sind.
00:21:11: Nehmen wir das Beispiel der Korrektivrecherchen, als halt Deutschland gegen
00:21:15: die AfD auf der Straße war, nehmen wir den Tabubo von Friedrich Merz Ende Januar im Bundestag,
00:21:21: als eher unfassbare Mengen an Menschen in ganz Deutschland auf die Straße gebracht
00:21:26: haben und Leute einfach ihren Unmut äußern wollten, weil es immer aus dieser
00:21:30: Emotion heraus sofort passiert ist.
00:21:33: Ja, und es braucht diesen emotionalisierenden Moment.
00:21:36: Ich habe immer noch im Kopf 2018, damals ging es um die Kohlekommission und
00:21:41: wir haben gesagt, wir haben es noch eine bundesweite Demonstration für den Kohleausstieg,
00:21:46: für richtigen Klimaschutz.
00:21:48: Es war der erste Hitzesommer, wo so richtig die Klimadebatte hochkam.
00:21:53: Aber es gab einen Tag in diesem Sommer, wo es total geregnet hat und das war
00:21:57: der Tag unserer Demonstration.
00:21:59: Und es kamen 3000 Menschen. Und das war natürlich nicht der Moment für den Kohleausstieg.
00:22:06: Vier Monate später, Hambacher Wald, Aktivisten in den Bäumen,
00:22:12: die waren auch viele Jahre unbeachtet, aber irgendwie war der Hitzesommer,
00:22:16: viele Leute haben gespürt, okay, so fühlt sich Klimawandel an,
00:22:19: so konkret wird's und jetzt sollen diese alten Bäume da fallen und die Aktivisten
00:22:23: da oben in den Bäumen, die da seit Jahren aushachen,
00:22:26: die werden von der Polizei runtergeholt mit dem größten Polizeieinsatz von NRW in seiner Geschichte.
00:22:31: Das geht doch nicht. Und dann sind sie nicht mitten in Berlin 3.000 Leute auf
00:22:35: der Straße, sondern mitten auf einem Acker 50.000.
00:22:40: Und vier Monate später, weil einfach das Momentum da war. Die Leute den Eindruck
00:22:45: hatten, jetzt geht es um was.
00:22:47: Hier wird entschieden, am nächsten Tag wurde dann entschieden von Gericht und
00:22:50: auch der Landesregierung, der Wald wird gerettet, Hambacher Wald,
00:22:54: die Bäume bleiben stehen.
00:22:56: Und dann kam der Kohleausstieg drei Monate später zurück.
00:23:00: Man hat auch gemerkt, da macht man den Unterschied und es braucht aber genau auf das Momentum an.
00:23:06: Wir werden am optimalen Zeitpunkt genau dann die Leute auf die Straße zu kriegen
00:23:10: und so ein Zusammenspiel, was es da auch gab, die Aktivisten.
00:23:14: Wissenschaftliche Gutachten, die gesagt haben, warum der Kohleausstieg geht,
00:23:17: wie man auf erneuerbare Energien umsteigt und all das brauchst du dann zusammen,
00:23:23: damit so ein Momentum entsteht und aus Protest auch wirklich Politik verändert.
00:23:28: Aber dafür braucht es ja auch eine Plattform wie euch mit professionellen Strukturen
00:23:34: dahinter, auch mit gewissen finanziellen Mitteln, um ad hoc Dinge tun zu können.
00:23:39: Genau, wir sind dann genau die, die in dem Moment dann Bündnis zusammentrommeln,
00:23:43: so auch ungewöhnliche Partner zusammenbekommen, wie jetzt eben das eingesprochen
00:23:49: Aufstand der Anständigen in dem Moment, da innerhalb von fünf Tagen eine Bühne
00:23:54: für 250.000 Leute hinzustellen oder zwei Bühnen,
00:23:57: eine vom Reichstag, eine vom Konrad-Adenauer-Haus, Demonstrationen dahin.
00:24:01: Und dann auch die Drohnen zu haben, die überhaupt das von oben einfangen,
00:24:06: zu schauen, dass da ein Lichter mehr entsteht, zu schauen, dass da spannende Menschen reden.
00:24:11: Und dass insgesamt auch die Leute das
00:24:13: Gefühl haben, boah, das war eine Veranstaltung, da gehe ich wieder hin.
00:24:16: Und am Ende die erste Nachricht in der Tagesschau. Und das schafft man eigentlich
00:24:21: nur mit Campeg, mit diesem Riesenverteiler, dass wir alle aufrufen können, hier spendet dafür.
00:24:29: Nur wenn ganz viele Leute jetzt 10, 20, 100 Euro geben, wenn ganz viele Leute nach Berlin reisen,
00:24:35: werden wir das hinbekommen und mit einem Klasse-Team von mittlerweile 130 Mitarbeiterinnen,
00:24:40: die dann auch alle da sind und dann jeweils das hochprofessionell aufziehen.
00:24:45: So, ich glaube, das ist sozusagen das auch, was wir da an Rolle häufig haben,
00:24:49: die zu sein, die dann der Verstärker sind und die zu sein, wodurch viele Leute sich aktivieren.
00:24:57: Christoph, wir sind ja hier unter uns. Fast. Fast.
00:25:02: Sag mal, wie oft wurdest du schon angesprochen, ob du den Wechsel in die Politik
00:25:07: machst oder wie oft hast du erwägt, ihn zu machen?
00:25:09: Weil so ein Typ wie du ist ja eigentlich prädestiniert, um in der Politik Dinge zu bewegen.
00:25:15: Ja, ich wurde bestimmt schon mal angesprochen, aber ich habe den Eindruck,
00:25:19: mehr bewege ich wirklich mit Straßenprotest.
00:25:21: Also wenn man wirklich guckt, was hat sich Großes verändert,
00:25:25: dann häufig hat es angefangen mit einer Kampagne, hat es angefangen mit einer
00:25:30: Großdemo, hat es angefangen mit Online-Appellen und so weiter.
00:25:34: Und mir geht es eigentlich sehr wenig um die eigene Profilierung und sehr viel,
00:25:38: wo mache ich den größten Unterschied?
00:25:40: Und dann habe ich den Eindruck, okay, so eine Organisation wie Campact,
00:25:43: auch gerade wie eng wir zusammenarbeiten, wir sehen uns ja sehr stark als Bündnisbauer,
00:25:48: als auch Verstärker anderer Organisationen, auch andere, also wie Fridays for Future kommt auf,
00:25:54: die ganz stark auch zu unterstützen, damit das alles funktioniert.
00:25:57: Da habe ich mehr Wirkmächtigkeit, als wenn ich jetzt die Ochsentour durch die
00:26:03: Politik mache, auch das, was das mit sich bringt, wie sehr man doch da auch in Konkurrenz ist.
00:26:09: Das ist ja auch, ich beneide manchen Spitzenpolitiker nicht.
00:26:12: Ich glaube, man muss das ein Stück weit vielleicht auch funktionieren.
00:26:15: Aber es ist natürlich nochmal eine vielheitere Überlastung auch,
00:26:19: in dieser Konkurrenzsituation zu sein, die Parteipolitik mit sich bringt.
00:26:23: Hut ab für die, die es machen.
00:26:24: Ja, aber vor allem ist der Beweggrund, wo kann ich am meisten ausrichten und
00:26:28: viele Politikerinnen können, die sich jetzt für Klimaschutz ausrichten können,
00:26:32: im Moment nichts machen, weil die Straße eben nicht drückt.
00:26:35: Und das zu ändern, das ist schon was, was eine Lebensaufgabe sein kann.
00:26:41: Dann sagen wir ab, weil du eine Lebensaufgabe gefunden hast und deine Wirksamkeit gefunden hast.
00:26:48: 2004 habt ihr mit mehreren Personen den Verein gegründet damals, Campact.
00:26:54: Wie kam es dazu, damals zu sagen, jetzt gründen wir einen Verein,
00:26:57: jetzt machen wir das und jetzt geben wir sehr viel Energie und Ressource von
00:27:02: uns selber auch da rein, so eine, erstmals so eine Plattform in Deutschland zu gründen?
00:27:06: Ich habe kurz vorher 2003, Irakkrieg, große Protestaktionen an der US Airbase
00:27:12: in Frankfurt organisiert.
00:27:14: Tausende Leute, die die US Airbase blockiert haben und ich fand damals total
00:27:19: spannend zu sehen, wie in den USA mit MoveOn eine Organisation entstanden war,
00:27:24: die einem anderen Amerikaner ein Stück weit ein Bild gegeben hat,
00:27:28: wo hunderttausende Leute aktiv wurden,
00:27:31: am gleichen Arm eine Kerze ins Fenster gestellt haben, auf Demos gegangen sind.
00:27:34: Und das war alles übers Internet organisiert.
00:27:37: Und das waren ursprünglich Leute, 98 gewesen aus dem Silicon Valley.
00:27:42: Damals war noch Bill Clinton dran. Die hatten damals gesagt,
00:27:47: da ging es um seine Affäre, die er hatte, ganz Amerika, hat über Monika Lewinsky
00:27:52: geredet und die haben gesagt, move on, let's talk about politics again.
00:27:56: So, und haben einfach mal so eine Petition da aufgesetzt und plötzlich hatten
00:28:02: die Hunderttausende innerhalb kürzester Zeit unterschrieben.
00:28:05: So, und da hat man gesehen, welche Kraft draußen entstehen kann,
00:28:11: wenn Leute aktiv werden.
00:28:12: Und das war Move-On. Und international bekannt geworden sind sie durch diesen Irakkrieg.
00:28:18: Und ja, ich war in den USA mit zwei Freunden, um dort politische Stiftungen
00:28:24: kennenzulernen, Initiativen, haben wir spontan uns mit dem Eli Pariser,
00:28:29: dem Chef-Campaigner da von MoveOn verabredet.
00:28:34: Und waren begeistert, haben gesagt, ja, das ist genau das, was fehlt.
00:28:37: Also die Potenziale durch die Mittel des Internets, um Menschen zu engagieren.
00:28:43: Und wir hatten es ja eben schon mal von, wie hochschwellig ist Protest.
00:28:46: Kann man da nur zur Bürgerinitiative gehen? Also niederschwellig Leute ranführen,
00:28:50: an politisch aktiv werden und enorm schnell sein. Das geht übers Netz.
00:28:56: Das müssen wir doch nutzen. Und da kam diese Idee auf, das nach Deutschland
00:29:00: zu bringen und sagen, wir machen so eine Multi-issue-Organisation zur ganzen
00:29:06: Bandbreite von Themen, aber immer wieder kampagnenförmig, dann auch dranbleiben,
00:29:10: bis man was politisch umsetzt, immer die Themen der Zeit aufgreifen, Verstärker sein.
00:29:16: Und wir haben einiges anders gemacht. Auch die politischen Bedingungen sind ja hier anders.
00:29:21: Wir sind auch noch mal ein Stück weit politisch oder nicht nur ein Stück,
00:29:23: wir sind parteipolitisch unabhängig.
00:29:25: Move-on ist gerne auch ein bisschen Vorfeld der Demokraten.
00:29:28: An einigen Stellen Dinge anders gemacht als Move-on, aber das war die Inspirationsquelle.
00:29:33: Oder wir hatten damals nicht gedacht, dass wir mal 130 Mitarbeiterinnen werden
00:29:37: und 4 Millionen Menschen per Mail auf dem Verteiler erreichen und 100.000 auf den sozialen Medien.
00:29:45: Aber das war so der Beginn von allem.
00:29:49: Ihr habt jeden 20. Deutschen auf dem Mailverteiler. Ja, das ist schon eine ganz
00:29:54: ordentliche Zahl. Das ist nicht ganz ohne. Genau.
00:29:56: Da seid ihr auch wirklich dann mittlerweile Stachel im Fleisch mancher Parteien,
00:30:02: mancher Lobbygruppen, für die ihr auch sicherlich totale Nervensägen seid.
00:30:06: Wie laufen denn außerhalb der öffentlich sichtbaren Kampagnen Konflikte?
00:30:12: Es gibt es doch sicherlich, dass euch auch mal ein Lobbyist einlädt und sagt,
00:30:15: sag mal, baust du was drüber den ganzen Tag eigentlich? Kannst du mal aufhören, uns zu nerven?
00:30:19: Ja, man hat das ja vor kurzem jetzt gesehen. 551 Fragen der Union an die Zivilgesellschaft.
00:30:27: Sehr tendenzielle Fragen, sehr unterstellende Fragen und nur an linke Organisationen,
00:30:33: also der Bund Deutscher Steuerzahler oder die Familienunternehmen oder der Deutsche
00:30:37: Bauernverband, die haben keine Fragen gekriegt.
00:30:40: Aber Campact hat Fragen bekommen, wie viele öffentliche Mittel wir bekommen
00:30:45: würden über grün geführte Ministerien, obwohl man unserem offenen Transparenzbericht
00:30:51: entnehmen kann, null Euro.
00:30:53: Aber die Unterstellung ist da. Und das fand ich schon sehr, sehr übel,
00:30:58: wie Merz da gegen uns vorgegangen ist. Ich war dann auch froh,
00:31:02: dass etliche andere Politiker uns beigesprungen sind.
00:31:05: Lars Klingbeil für die SPD, die Grünen, die Linken uns sehr klar gesagt haben,
00:31:11: so funktioniert das nicht.
00:31:12: Und Klingbeil das ja auch sehr gesagt hat, er kann sich nicht vorstellen,
00:31:16: jetzt Koalitionsgespräche zu führen, wo am Morgen man zusammensitzt.
00:31:19: Am Nachmittag werden zivilgesellschaftliche Organisationen, die gegen Rechtsaußen
00:31:23: protestieren, an den Pranger gestellt. So wird das nicht gehen.
00:31:28: Und es zeigt nochmal auch, wie sehr wir wahrgenommen werden und wie sehr das
00:31:35: auch die Union gepiesackt hat, dass wir so sehr diesen Tabubruch hochgezogen
00:31:41: haben und gesagt, das geht nicht.
00:31:42: Das ist was mit einer Nazi-Partei-Stimmen im Deutschen Bundestag und der den
00:31:50: größten Triumphbescheren, die sie seit Begründung haben.
00:31:55: Das kann man nicht tun. Und dass dann Millionen im ganzen Land auf die Straße
00:31:59: gegangen sind, das hat die Union sehr geschmerzt. dass März am Ende mit 28,5
00:32:04: Prozent über die Ziellinie gegangen ist, ist sicherlich auch ein Produkt dessen.
00:32:08: Und ja, da gibt es entsprechend Gegenwind. Was ich hochproblematisch vor allem
00:32:13: auch finde, ist, dass die Union immer wieder Narrative aufgreift, die von rechten,
00:32:19: rechtsextremen Portalen kommen, gerade von Nios kommen oder von Kompakt,
00:32:23: die so ähnlich heißen wie wir,
00:32:25: und diese Dinge aufgreifen.
00:32:28: Also auch diese ganze Geschichte, wir würden Geld von Ministerien bekommen,
00:32:32: ist eine Erfindung von NIOS.
00:32:35: Und wenn die Union so wenig kritisch noch gegen Rechtsaußen ist, ist das alarmierend.
00:32:43: Nicht die Union eigentlich, sondern die März-Union, muss man sagen,
00:32:47: die gerade immer weiter nach rechts geht.
00:32:51: Die ursprüngliche Union ist total wichtig, dass es sie gibt für eine Demokratie,
00:32:55: aber diese Form von Union, die immer mehr Rechtsausleger wird.
00:32:59: Ja, und dann sieht man, wie hart man angegriffen wird. Wir wehren uns vor Gericht.
00:33:03: Die Gemeinnützigkeit haben wir abgegeben, dann sind wir überhaupt nicht mehr
00:33:06: verletzlich, aber andere sind es.
00:33:08: Und ja, aber da muss man sich zur Wehr setzen. Ich finde es beispiellos.
00:33:14: Also zum einen selber Schuld, wenn es Proteste gibt, wenn man mit der AfD stimmt.
00:33:18: Also sich dann im Nachhinein noch zu beschweren, das ist schon ziemlich albern.
00:33:20: Ich finde auch das Verhalten einzelner CDU-Politiker, die sich äußern,
00:33:26: als wären sie Republikaner in den USA,
00:33:29: Spahn, der davon redet, es gibt eine rechte Mehrheit in Deutschland,
00:33:31: ja dann zählt ja offensichtlich die AfD und die CDU zusammen.
00:33:34: Ansonsten gibt es keine rechte Mehrheit. Also insofern, dann darf man sich auch
00:33:37: nicht beschweren, wenn es anschließend Proteste gegen rechts gibt,
00:33:39: wenn man auch noch gemeinsam im Bundestag für fragwürdige Gesetze gemeinsam gestimmt hat.
00:33:46: Und das dann umzudrehen, einfach noch gegen die, die sich dagegen auflehnen,
00:33:52: das ist schon an Dreistigkeit kaum noch zu überbieten.
00:33:56: Statt einfach mal in Sack und Asche zu gehen und zu sagen, wir haben Fehler
00:33:59: gemacht, sich dann noch rauszulehnen und auch noch den Spieß umdrehen zu wollen
00:34:02: und zu sagen, die Omas gegen rechts sind jetzt auch noch schuld.
00:34:05: Das ist verrückt. Ja, und strategisch unklug ist es auch noch,
00:34:09: weil wir kriegen jetzt natürlich eine Riesenwelle der Solidarität,
00:34:12: genauso als wir so Probleme mit der Gemeinnützigkeit hatten.
00:34:17: Da haben ganz viele Leute gesagt, okay, wenn ihr die Gemeinnützigkeit verliert,
00:34:21: wir werden euch weiter unterstützen.
00:34:24: 10.000 Leute sind Förderer geworden und wir haben jetzt auch seit vor einem
00:34:29: Jahr 50.000 neue FörderInnen bekommen, die uns jeden Monat mit 10 oder 15 Euro unterstützen.
00:34:37: Also am Ende geht es auch, kann man so schön sagen, wenn ihr uns angreift, werden wir nur stärker.
00:34:44: Aber es ist trotzdem ein skandalöser Angriff auf eine Zivilgesellschaft,
00:34:50: wo doch eine Union in diesen Zeiten sagen muss, wir grenzen uns klar gegen rechts ab.
00:34:56: Und eine Zivilgesellschaft ist elementar und ein Lebenselixier einer funktionierenden
00:35:00: Demokratie und nicht, was man diskreditieren sollte. Zumal mittlerweile auch
00:35:06: der Letzte in der CDU gelernt haben sollte.
00:35:09: Dass einfach nur das Übernehmen rechter Narrative nicht dazu führt,
00:35:12: dass die Rechten verschwinden, sondern die werden stärker und man selber verwässert
00:35:16: sein eigenes Profil. Ja, das kann man ja in ganz Europa sehen.
00:35:19: Das ist eigentlich der Niedergang konservativer Parteien, in dem man denen hinterherläuft.
00:35:25: Man muss allerdings sagen, das geht ja auch bis ins rot-grüne Spektrum.
00:35:29: Also überhaupt so stark diesen Migrationskurs und alle, auch Robert Habeck kommt
00:35:33: da noch mit einem Zehn-Punkte-Paket, was man denn jetzt hier zur Sicherheitspolitik machen sollte.
00:35:38: Und die SPD redet auch ständig über Migrationspolitik in den Talkshows und so
00:35:45: weiter. Das hat sich ja gegenseitig hochgeschaukelt.
00:35:47: Narrativ, was am Ende nur den Rechtsextremen genutzt hat.
00:35:51: Und denen, die dann als einziges gesagt haben, sie setzen andere Themen und
00:35:57: sie werden nicht mit Merz koalieren. Das war die Linkspartei.
00:36:00: Also die beiden haben eigentlich davon profitiert und das war sicherlich weder
00:36:05: von den Grünen noch von der SPD geschickt, da so stark darauf einzugehen.
00:36:10: Und natürlich, sie sind auch eine andere Rolle als die Linkspartei.
00:36:14: Am Ende musste man mit Merz koalitionsfähig bleiben, aber man muss da schon,
00:36:19: glaube ich, auch nochmal stärker zeigen, wofür steht man. Und das ist ein Fehler,
00:36:24: sowohl der SPD als der Grünen gewesen, dass sie ihn programmatisch nicht klar genug gemacht haben.
00:36:29: Das bekommt ihr, wie die SPD mal damals gesagt hatte, mit uns gibt es den Mindestlohn.
00:36:34: Das hat sich doch jetzt auch gesagt, aber es war nicht klar genug,
00:36:37: für was steht diese SPD und auch Robert Habeck bringt das fertige Interview, dem Spiegel zu geben.
00:36:46: Er ist auf dem Cover drauf, x Seiten und nur einmal benimmt er das Wort Klima
00:36:51: in den Mund und das bedeutet,
00:36:53: da ging es aber ums Koalitionsklima und um das Kernthema der Grünen,
00:36:58: Klimaschutz, schafft er nicht zu thematisieren.
00:37:01: Also wo man sich auch fragt, ist das wirklich strategisch klug,
00:37:05: so sehr diese Themensetzung von rechts außen immer wieder aufzugreifen und dem
00:37:10: nichts entgegenzusetzen.
00:37:11: Ich bin jetzt auch schon ziemlich lange im Wahlkampfgeschäft selber drin als Berater.
00:37:15: Ich habe noch nie in einem Wahlkampf so oft mit dem Kopf auf die Tischplatte
00:37:19: geklopft, weil ich fand diesen Wahlkampf im Ganzen einfach nur verrückt und
00:37:22: absurd. Ich war im Nachhinein froh, dass es ja so kurz war. Die Ergebnisse sind trotzdem nicht gut.
00:37:27: Lass uns mal noch einen Punkt Parteipolitik machen, dann würde ich das Thema
00:37:29: auch gerne beenden. Die AfD.
00:37:33: Ihr seid sehr, sehr stark exponiert im Kampf gegen die AfD.
00:37:38: Und es geht mittlerweile so weit, dass ihr andere Parteien unterstützt.
00:37:42: Das ist ja eine Veränderung von dem, wie ihr früher gearbeitet habt.
00:37:45: Also ich habe es selber erlebt, wir haben letztes Jahr Dietmar Woidke in Brandenburg
00:37:48: beraten im Landtagswahlkampf und irgendwann kam der Anruf, wo mir gesagt wurde,
00:37:51: du, Kempbeck, hätte ich bei uns gemeldet, die sind bereit, uns zu unterstützen,
00:37:56: damit die AfD weniger Direktmandate gewinnt.
00:38:00: Warum hat sich das bei euch so verschoben, dass ihr mittlerweile bereit seid,
00:38:04: einzelne Parteien sicherlich immer noch aus dem linken Spektrum zu unterstützen,
00:38:08: um die AfD klein zu halten und nicht mehr nur in dieser reinen Protestbewegung unterwegs zu sein?
00:38:13: Wir haben den Eindruck, dass die AfD an Stellen so mächtig ist,
00:38:19: dass es nur funktioniert, sie von der Macht fernzuhalten.
00:38:24: Indem eigentlich demokratische Parteien miteinander kooperieren und das tun sie nicht.
00:38:30: An vielen Stellen, gerade auch in Thüringen, wo man den Eindruck hat,
00:38:35: eigentlich müssten doch jetzt Rot-Rot-Grün sich absprechen und sagen,
00:38:39: in dem Wahlkreis wählen wir alle den Grünen.
00:38:44: In dem, da hat der von der SPD die größte Chance, da hat er von der Linken.
00:38:48: Und diese Absprachen finden nicht statt, deswegen teilen sich die Stimmen auf
00:38:52: und deswegen gewinnt dann der Direktkandidat der AfD.
00:38:56: Und wir hatten in diesen Situationen den Eindruck, es ist hochgefährlich,
00:39:02: dass die AfD eine Sperrminorität bekommt.
00:39:04: Zum Beispiel in Sachsen ging es darum, nur wenn die Linke und die Grünen reinkommen,
00:39:10: wird es nicht reichen für eine Sperrminorität.
00:39:12: Und Spendminorität heißt, die Verfassungsrichter können nicht mehr besetzt werden
00:39:19: ohne die AfD oder Überwachung des Verfassungsschutzes und so weiter.
00:39:24: Das ist also sehr weitreichend in der Konsequenz. Und da haben wir gesagt,
00:39:28: wir unterstützen zum Beispiel in bestimmten Wahlkreisen den Kandidat der Linken,
00:39:34: dort die Kandidatin der Grünen.
00:39:36: Wir haben auch bei den Landratswahlen in Thüringen CDU-Menschen unterstützt,
00:39:43: weil es die einzigen waren.
00:39:45: Mit denen man verhindern konnte, dass die AfD überall die Landräte gewinnt.
00:39:51: Das hat sie in Sonneberg getan.
00:39:52: Und danach aber bei den Wahlen dann im letzten Mai in Thüringen hat sie keinen
00:39:57: einzigen gewonnen. Und das schreiben wir uns schon auch auf die Fahnen.
00:40:00: Und da haben wir dann gesagt, ja, wir unterstützen CDU-Kandidaten mit Geld,
00:40:07: mit aber auch direkten Kampagnen.
00:40:09: Das muss man dann auch als mittlerweile Parallelaktion anzeigen, was man das tut.
00:40:14: Also auch das, was man nicht direkt an Geld gibt, sondern indirekt muss man
00:40:18: alles transparent machen.
00:40:20: Aber deswegen gehen wir den ungewöhnlichen Schritt, immer wieder strategisch
00:40:24: einzelne Parteien zu unterstützen.
00:40:26: Insgesamt unabhängig zu sein, weil mal ist die SPD, mal die Grünen,
00:40:30: mal die Linken, mal die Union.
00:40:33: Aber im Kampf gegen die AfD ist das an Stellen nötig. Und wir wollen eben auch
00:40:37: diese Diskussion in die Parteien bringen.
00:40:39: Hier wollt ihr euch nicht mal besser abstimmen, damit das eigentlich nicht so stark nötig ist.
00:40:43: Weil es so dysfunktional zwischen den progressiven Parteien läuft,
00:40:48: wirkt ihr eigentlich damit rein, um mal klarzumachen, wie es eigentlich gehen
00:40:51: müsste und wie man sich noch verstärken kann. Ja, man macht sich natürlich nur
00:40:53: Freunde. Überhaupt nicht.
00:40:55: Wenn wir sagen, in dem Wahlkreis hier die Linke und die von den Grünen und die
00:41:00: von der SPD sind wütend und umgekehrt in einem anderen Wahlkreis.
00:41:03: Man macht sich nicht nur Freunde, aber am Ende zum Beispiel in Sachsen ist damit
00:41:08: um zwei Mandate die Sperrminorität der AfD verhindert worden.
00:41:14: Und dafür hat es natürlich auch manche aufgebrachte Telefonate gelohnt.
00:41:18: Wieder bei der Wirksamkeit. Ja, genau.
00:41:21: Wie entscheidet ihr denn, was für ein Projekt ihr macht und was ihr nicht macht?
00:41:26: Wir entscheiden das erstmal als Kampagnen-Teamleitungsrunde mit der Geschäftsführung,
00:41:33: aber wir schauen doch immer sehr, was die Leute eigentlich bei uns im Verteiler auch denken.
00:41:36: Wir hätten auch sowas wie jetzt.
00:41:40: Unionsleute zu unterstützen, um AfD-Landräte zu wählen. Da haben wir immer unseren
00:41:45: Verteiler in Thüringen gefragt.
00:41:46: Und dieses und jenes haben wir vor und haben jetzt nicht gesagt,
00:41:49: wenn jetzt 51 Prozent Ja sagen, machen wir es, sondern hatten schon eine stark,
00:41:55: qualitative Mehrheit, 80, 90 Prozent, die gesagt haben, ja, eigentlich finde
00:41:58: ich es ja nicht so toll, aber in dieser Situation kann ich das nachvollziehen. Macht.
00:42:03: Und die Unterstellung, vier Millionen Leute auf dem Newsletter und Christoph
00:42:08: Bautz entscheidet ganz alleine abends im Bett, was er für Kampagne macht, das ist falsch.
00:42:12: Ja, die 4 Millionen sind sehr schnell weg, wenn man, wenn Christoph Bautz abends
00:42:17: Fehlentscheidungen trifft.
00:42:20: Dann gibt es irgendwann kein Spendengelder mehr oder so, also die Kontrolle
00:42:24: ist da und wir haben natürlich einfach mal ein Gremium, wir haben auch einen
00:42:26: Aufsichtsrat, der auch sehr Leute aus der Mitarbeiterschaft, der Belegschaft drin.
00:42:31: Sehr häufig in der Aufsichtsrats Posten der Geschäftsführung lange fernhält,
00:42:36: wenn das halbe Team schon den Aufstand probt, deswegen haben wir gesagt,
00:42:39: die Die Belegschaft ist drin,
00:42:40: die Förderer sind drin, Menschen, die sich seit langem auskennen mit Protestbewegungen
00:42:44: sind drin und die gucken uns auch bei vielen grundlegenden Fragen auf die Finger,
00:42:48: sodass es so Checks and Balances gibt,
00:42:50: die verhindert, dass wir zu großen Mist bauen.
00:42:53: Und diese ganze Bubble drumherum ist ja auch nur wirklich nicht unkritisch.
00:42:56: Also ich erlebe selber, seit mein LinkedIn-Account sich ganz prosperierend entwickelt,
00:43:01: komme ich immer mehr genau in dieses links-progressive Spektrum rein,
00:43:04: an Leuten, die mir folgen und natürlich Dinge auch kommentieren und schreiben.
00:43:07: Damit kriege ich auch immer mehr Campeg-Dinge lustigerweise bei mir rausgespielt
00:43:11: und merke ja auch, dass die Leute keineswegs sagen, ja okay,
00:43:13: wenn Campeg das sagt, dann ist es fein, sondern sind alle sehr meinungsstark
00:43:17: und im Zweifel auch sogar im Widerstand gegen einzelne Dinge,
00:43:19: wenn sie es einfach mal blöd finden.
00:43:21: Ja, und wir sagen auch immer wieder den 130.000 Menschen, die bei uns Förderer sind,
00:43:27: ja, ihr werdet nicht mit allem von uns übereinstimmen, aber die Grundidee,
00:43:32: sie wie Gesellschaft zu stärken, im richtigen Moment, wo man den Unterschied
00:43:36: machen kann, wenn das Window of Opportunity da ist,
00:43:39: Proteste zu organisieren, das findet ihr gut.
00:43:42: Und ja, ihr könnt eben mit Einsteigen an bestimmten Stellen und irgendwann werdet
00:43:48: ihr auch sagen, das hätten sie jetzt aber mal wirklich lassen können.
00:43:54: Christoph, magst du mir kurz fünf Sätze vervollständigen? Wir können es probieren.
00:43:59: Gut. In der Öffentlichkeit beeindruckt mich derzeit.
00:44:04: Der Protest gegen die AfD und wenn ein Riesenlichtermeer entsteht und Menschen plötzlich da sind.
00:44:11: Mich auch. Über Deutschland denke ich.
00:44:16: Dass wir uns dringend modernisieren und müssen, dass wir vieles anders denken
00:44:21: müssen angesichts von Trump und Putin.
00:44:26: Und wir als Deutschland und wir als progressive Linke viele Dinge neu denken müssen.
00:44:31: Nachfrage dazu? 500 Milliarden für die Infrastruktur, ja oder nein?
00:44:35: Auf jeden Fall ja, aber es ist zu wenig, weil es über zehn Jahre und der Finanzbedarf
00:44:41: wäre eigentlich das Vierfache.
00:44:42: Und wenn das dann noch alles ein Verschiebebahnhof ist, um irgendwelche Mütterrenten,
00:44:46: Pendlerpauschalen und schon abgeschaffte Agrarsubventionen wieder einzuführen, nicht so cool.
00:44:53: Nicht als Schatztruhe gedacht. Nicht als Schatztruhe gedacht,
00:44:55: da haben die Grünen recht.
00:44:57: Wir sollten mehr Wert legen auf.
00:45:02: Wir sollten mehr Wert legen darauf, dass es das letzte Jahrzehnt ist,
00:45:09: wo wir die Klimakrise noch gestorbt kriegen.
00:45:11: Das ist etwas, was gerade in Vergessenheit gerät, wie heftig die Klimakrise schon zuschlägt.
00:45:20: Und wenn wir die nächsten fünf bis zehn Jahre nicht richtig was bewegen,
00:45:24: und da sieht es bei der Koko nicht gerade nachher aus, haben wir ein richtiges Problem.
00:45:28: Der nachfolgenden Generation rate ich, widerständig zu bleiben und immer wieder
00:45:37: Dinge in Frage zu stellen und auf die Straße zu gehen.
00:45:41: Morgen wird besser als heute, weil...
00:45:47: Weil die Rechtsextremen immer mächtiger werden, aber am Ende machen sie Fehler
00:45:52: und am Ende haben wir uns doch dagegen gut gewehrt.
00:45:57: Danke dafür.
00:46:01: Die Gesellschaft ist ja in den letzten Jahren immer polarisierter geworden.
00:46:05: Wir nehmen die Klimakrise, die viele stark angehen wollen.
00:46:10: Andere sagen, ach komm, lass mich Auto fahren, lass mich fliegen,
00:46:12: ist mir alles egal, Hauptsache ich kann mein Leben so weitermachen wie immer.
00:46:17: Die Corona-Zeit war extrem für uns, wir haben den Aufstieg der Rechten,
00:46:21: es stapelt sich irgendwas in dieser Gesellschaft, es wird immer intensiver.
00:46:26: Wir haben es jetzt ja auch gerade im Wahlkampf erlebt, wie stark polarisierend
00:46:30: auch die Sprache von Politikern und Politikerinnen war, von dem man es eigentlich
00:46:34: nicht gedacht hätte vorher.
00:46:35: Naja, was können wir als ganz einfache Bürger, wir beide und alle anderen,
00:46:41: die uns hier zuhören, tun, um dieser harten Polarisierung entgegenzugehen?
00:46:46: Oder müssen wir mit polarisieren, um das Schlechte abzuwenden?
00:46:50: Ein Stück weit muss man polarisieren. Das Polarisieren hat ja auch was Positives.
00:46:54: Man muss Politik runterbrechen, damit es auch verständlich ist.
00:46:56: Gerade für Leute, die sich nicht von morgens bis abends damit zu beschäftigen.
00:47:00: Also irgendeine Form von Verdichtung ist richtig, aber sie muss faktenbasiert passieren.
00:47:05: Und sie darf nicht diffamieren passieren und sie muss Teil eines demokratischen
00:47:11: Diskurses sein und auf bestimmten Werten beruhen.
00:47:14: Das würde ich sagen, ist Polarisierung oder zumindest so eine Zuspitzung nötig.
00:47:19: Ich glaube aber insgesamt müssen wir uns als progressive Linke und auch gerade
00:47:25: wir als Campact fragen, haben wir eigentlich zu wenig die Themen vieler Leute bespielt.
00:47:32: Haben wir zu wenig darauf geschaut, wie sich der Mietmarkt entwickelt,
00:47:37: wie bedrohlich für viele Menschen sind die immer prekären Arbeitsverhältnisse oder die Menschen,
00:47:45: Die explodierenden Preise, wie sie jetzt zum Teil nach der Energiepreiskrise
00:47:50: waren, also wo viele Leute Angst haben, kommen sie noch über die Runden,
00:47:55: aber vor allem Angst haben, da hinzukommen.
00:47:57: Es sind ja häufig gar nicht, dass es den Leuten so schlecht geht,
00:47:59: aber sie haben Abstiegsängste, sie haben eine totale Verunsicherung.
00:48:03: Und das nicht genügend adressiert zu haben, ist, glaube ich,
00:48:06: ein Fehler der progressiven Linken.
00:48:08: Wir haben auch die Klimafrage nicht genügend sozial unterlegt gestellt.
00:48:12: Das war ja auch bei der ganzen Heizungsgeschichte, wie auch Robert Habeck sagen
00:48:17: soll, er hat sich tierisch aufgeregt, dass das durchgestochen wurde,
00:48:19: sein Heizungsgesetz, aber er hat sich nicht hingestellt und gesagt.
00:48:22: Leute, wenn die Heizung gewechselt wird, dann zahlt der Staat 70 Prozent,
00:48:28: wenn du wenig hast, was ja am Ende beschlossen wurde, aber das hat er nicht gesagt.
00:48:31: Und das zeigt auch, wir müssen das Soziale stärker mitdenken.
00:48:36: Das, was auch die Linkspartei gerade erfolgreich gemacht hat im Wahlkampf,
00:48:39: sehr stark die Leute abholen.
00:48:41: Bei dem, wo sie im Alltag sehen, es geht nicht gerecht so. Da gibt es dekadenten
00:48:46: Reichtum und da gibt es viele Leute, die nicht wissen, wie sie über die Runden
00:48:49: kommen sollen und dazwischen sehr viele Verunsicherte.
00:48:52: Und darüber müssen wir reden. Das heißt, es hilft nicht nur zu sagen,
00:48:56: ja, wir müssen gegen die Polarisierung wieder mehr ins Gespräch kommen und Diskussionsformate
00:49:00: prägen und sowas, sondern wir müssen, glaube ich, wirklich ran an die Themen,
00:49:05: die Leute verunsichern.
00:49:06: Weil darauf fußt viel auch von diesem Anti-Eliten-Diskurs, die in Berlin,
00:49:13: das sind alles Leute vom Prenzlauer Berg, denen geht es gut und die wollen uns
00:49:17: jetzt irgendwas vorschreiben.
00:49:19: Und ja, da müssen wir wirklich mehr die sozialen Fragen stellen und sie aber
00:49:26: so stellen, dass es auch für viele Menschen konkret wird und Antagonismen auch dabei haben.
00:49:31: Also Deutsche Wohnen enteignen als Kampagne, ist ja so erfolgreich gelaufen,
00:49:34: auch weil es eben den gab, gegen den man ging.
00:49:37: Jetzt auch Milliardärssteuer zu fordern und zu sagen, der dekadente Reichtum,
00:49:42: das kann es doch nicht sein. Also ich brauche das beides.
00:49:46: Du bist jetzt ja nach 20 Jahren Campact, glaube ich, Profi darin,
00:49:51: auch zu erklären, wie kriege ich den kurzfristigen Protest umgeswitcht in eine
00:49:57: langfristige Veränderung.
00:49:59: Ich sage mal so, auf Emotionen kurzfristig auf die Straße, das ist schon organisierbar,
00:50:03: wenn man das Handwerkszeug beherrscht.
00:50:04: Das, was ja die eigentliche Kunst ist und das, was ihr ja auch offensichtlich beherrscht,
00:50:08: ist aus dem kurzfristigen Prozess eben diesen längeren Weg zu gehen,
00:50:13: irgendwann auch Veränderungen ins Land zu kriegen, dass es diese Kohlekraftwerke
00:50:16: nicht gibt oder dass wir es vielleicht auch schaffen, in aller unserer Hoffnung,
00:50:20: die Nazis auch wieder loszuwerden.
00:50:22: Wie funktioniert dieser Weg dahin?
00:50:25: Auf jeden Fall nicht so, dass man jede Woche immer wieder mit 100.000 auf die
00:50:28: Straße geht. Es gibt so Momente, wo man ein Thema aufbauen kann.
00:50:33: Aber man muss da auch realistisch sein und sagen, ja, es gibt immer wieder diese
00:50:37: Momente. Also wie Anti-Atom-Bewegung, das war ja ganz viel auch über Orte.
00:50:41: Also auch so ein Ort, wo sich der Missstand verdichtet.
00:50:44: Gorleben oder Wackersdorf oder Wühl als erstes großes Atomkraftwerk im Südwesten.
00:50:51: Und wo man dann Allianzen gebaut hat. Also auch diese Breite von nicht nur die
00:50:57: üblichen gehen auf die Straße.
00:51:00: Aber das ist häufig ein langer Aufbau von einem Thema. Also auch die ganze Debatte
00:51:05: um die Schuldenbremse, die geht ja seit zehn Jahren.
00:51:09: Jetzt sind wir plötzlich an dem Punkt, dass auch die Union sagt,
00:51:12: okay, das ist nicht mehr zu halten. Also es zeigt, wie lange das häufig braucht.
00:51:16: Und dann gibt es häufig so Windows of Opportunity. Und in dem Moment muss man
00:51:21: drauf aufs Thema und dann wieder die Menschen reinholen und dazwischen aber
00:51:25: auch Strukturen aufbauen,
00:51:28: wo Leute aktiv bleiben können, weil es braucht ja beides. Es braucht immer die Kerne von Bewegung.
00:51:34: Die Antirechtsbewegung, jetzt die Omas gegen Rechts, die entstehen,
00:51:36: das ist auch so ein Kern von Bewegung oder Studis gegen Rechts und dann brauchst du die Masse,
00:51:42: die auf die Straße geht und dass eben klar ist, die Breite der Bevölkerung geht
00:51:47: und vielleicht sogar die eigene Wählerklientel geht und in dem Moment dreht
00:51:50: sich dann politisch was. Aber langen Atem behalten muss man.
00:51:55: Wir haben ja eine starke, breite Mehrheit in ganz Deutschland gegen die Nazis.
00:52:03: Ich nenne sie jetzt mal Nazis gleich AfD. Ich bin da jetzt mal straight.
00:52:08: Wie schaffen wir es, diese breite Masse, die wir zu haben, diese breite Mehrheit,
00:52:13: die wir haben, gegen sie, wie schaffen wir es, dass die bestehen bleibt und
00:52:16: dass sie nicht erodiert und zusammenhält?
00:52:18: Und wenn wir das schaffen, kann uns ja nicht viel passieren.
00:52:21: Wir sollten nicht mehr Landverlust haben gegen die AfD.
00:52:24: Aber aktuell stehen wir ja noch sehr viel besser als in anderen Ländern da.
00:52:27: Wie schaffen wir das, dabei zu bleiben?
00:52:30: Einmal würde ich sagen, dass die Situation uns schon ziemlich gefährlich ist.
00:52:33: Also im Osten der Republik, wenn man jetzt die Wahlergebnisse anschaut,
00:52:38: Sachsen-Anhalt, 37 Prozent AfD, 10 Prozent BSW.
00:52:42: Wenn das BSW, ich hoffe es, bald zusammengebrochen ist und dann nochmal 6% von
00:52:49: denen zur AfD gehen, dann haben wir sehr schnell eine absolute Mehrheit für die AfD.
00:52:54: Also die Situation gerade im Osten der Republik, auch in Thüringen droht ja
00:52:59: gerade die Regierung auseinander zu fliegen.
00:53:01: Also das ist erstmal brandgefährlich, würde ich sagen.
00:53:05: Und gleichzeitig müssen wir genau an diesen Strategien jetzt arbeiten.
00:53:09: Wie schaffen wir es, diese Proteste, dass sie eben nicht nur ab und zu mal auf
00:53:15: die Straße gehen, sondern dass wir da wirklich einen Unterschied machen?
00:53:19: Und ich fand das ja schon ganz beeindruckend, was es zumindest auf die kürzere
00:53:23: Frist einen Unterschied macht. Also wenn man Europawahl gesehen hat,
00:53:27: im letzten Januar die Umfrage, 23 Prozent AfD.
00:53:32: Und dann gab es diese Protestwelle und nach den Korrektivrecherchen und so,
00:53:37: viele Leute, die nicht harter Kern der AfD sind, sind verunsichert geworden.
00:53:41: Und am Ende ist die AfD mit nur 15,9 Prozent über die Ziellinie gegangen.
00:53:46: Das heißt, wir haben sieben, acht Prozent weniger erreicht.
00:53:49: Und das zeigt auch, welche Kraft man haben kann, also wie sehr sich auch Protest lohnt.
00:53:54: Und trotzdem, jetzt ist die AfD wieder bei über 20 Prozent. Also es ist wirklich
00:54:00: sehr, sehr, sehr schwierig.
00:54:03: Und wir haben jetzt gerade ein Think Tank auch gegründet, um nochmal mehr,
00:54:06: wo sind die Stellen, wo wir wirklich rein müssen.
00:54:09: Aber das heißt ja, wir müssen alle miteinander, die wir überzeugt sind,
00:54:12: dass dieser Weg falsch ist, beharrlich bleiben, dranbleiben,
00:54:15: weiter informieren, weiter diskutieren und uns nicht kleinkriegen lassen.
00:54:19: Ja, und die Bewegung auf der einen Seite breithalten.
00:54:24: Manche der Proteste, auch gerade vor einem Jahr, waren mir zu links und hier
00:54:29: noch Diversität reingeparkt und da noch die Proteste, die es gegen Geass nicht gegeben hatte,
00:54:35: zu versuchen, den Antirechtsprotesten überzustülpen, wo dann mittige Wählerinnen
00:54:40: sich dann vielleicht auch irritiert angucken.
00:54:42: Während bei anderen Städten hat es super funktioniert, wo dann auch CDU-Bürgermeister
00:54:48: reden oder Firmen mit auf die Straße, deren Firmenchefs mit auf den Bühnen standen.
00:54:54: Also diese Breite und gleichzeitig dann aber auch zu sagen, wenn eine CDU mit
00:55:00: der AfD kooperiert, da ist dann Schluss mit lustig. so, da ist auch harte Kante
00:55:04: gefragt und da ist dann sozusagen auch das geht nicht, liebe CDU.
00:55:08: Aber diese Breite zu halten, diese Anschlussfähigkeit zu halten und nicht so
00:55:14: das üblich linke Szene sprecht zu haben, das ist, glaube ich, ziemlich wichtig.
00:55:18: Wir kommen jetzt so langsam zum Schluss. Christoph, wenn ich dich jetzt so wahrnehme,
00:55:22: wir haben uns heute erst kennengelernt.
00:55:24: Dieses Lebenswerk, das geht nur mit sehr viel Optimismus im Herzen.
00:55:28: Was macht dich optimistisch?
00:55:31: Und dass, wenn ich so rauszoome aus der Vogelperspektive schaue und gucke,
00:55:37: wie häufig doch Protestbewegungen am Ende gewonnen haben,
00:55:42: dass ich den Eindruck habe, in the long run haben wir doch große Chancen,
00:55:48: ziemlich viel noch hinzukriegen.
00:55:50: So, und es lohnt sich, auf die Straße zu gehen und optimistisch macht mich auch
00:55:57: so eine junge Generation.
00:55:59: Also, wenn ich Fridays for Future gesehen habe, wie fit die sind.
00:56:02: Also, wenn ich selber denke, so in dem Alter, okay, die sich da in Talkshows
00:56:05: setzen und so, das hätte ich mir nicht getraut.
00:56:09: Oder die sich da auf Bühnen stellen oder jetzt auch gegen rechts,
00:56:13: wie viele junge Leute da aktiv werden und sich Dinge trauen.
00:56:17: Und dann, oh ja, da ist auch echt viel Potenzial da und deswegen bleibe ich
00:56:26: ein Stück weit optimistisch.
00:56:28: Das Einzige, was mich dann schon immer wieder pessimistisch stimmt,
00:56:30: ist die Klimakrise und dass alle die so gigantisch unterschätzen und wie sehr
00:56:34: das eigentlich, das, was wir Zivilisation nennen, letztlich gefährdet.
00:56:38: Wie schnell sich das dann aufschaukeln kann mit Kippung.
00:56:43: Das ist so immer der dystopische Moment in meinem Kopf.
00:56:48: Und dann gibt es wieder den hoffnungsvollen Moment und er sieht,
00:56:51: wie plötzlich Bewegung da sein kann,
00:56:55: wie schnell sich Dinge ändern kann, dass eben nicht gesellschaftliche Prozesse
00:56:59: linear laufen, sondern da gibt es auch die Kipppunkte, die es beim Klima zum Negativen gibt,
00:57:04: die gibt es gesellschaftlich eben auch zum Positiven.
00:57:07: Und an diesen Kipppunkten mitzuwirken, Kipppunkte zum Guten,
00:57:13: das ist etwas, was mir dann wieder Mut macht.
00:57:17: Dann lasst uns jetzt mal eine Zeitreise machen. Wir steigen jetzt in dieses
00:57:22: Studio, das ist jetzt unsere Zeitkapsel.
00:57:24: Wir fliegen zum Brandenburger Tor und im Jahr 2050 steigen wir beide wieder
00:57:29: aus diesem Podcaststudio aus. Was für ein Land sehen wir?
00:57:33: Der visionäre Teil von mir sagt, da kann man flanieren.
00:57:38: Die ganzen Autos sind weg auf der Straße des 17. Junis.
00:57:43: Viele Menschen mit moderneren Fahrrädern als heute oder irgendwelchen Gefährten sind unterwegs.
00:57:53: Man sitzt da nett zusammen unter dem Brandenburger Tor.
00:57:58: Es ist immer noch ein Ort, wo man zusammenkommt, wo man demonstriert.
00:58:02: Das Tor der Freiheit wird da sein, weil es wird immer noch gesellschaftliche Missstände geben.
00:58:10: Aber Leute glauben dran, wir hatten so ein paar gesellschaftliche Kipppunkte
00:58:15: in den letzten 30 Jahren, die haben wir genutzt.
00:58:18: Die Rechten sind ziemlich zurückgedrängt und deswegen haben wir einiges hinbekommen.
00:58:25: Es ist alles voller Bäume, weil das Klima ist wärmer geworden.
00:58:29: Wir mussten uns anpassen.
00:58:31: Aber wir haben das Schlimmste verhindert. Die 4 Grad Welt ist nicht gekommen.
00:58:35: Und wir haben auch nicht kurz vor Berlin schon den Strand, weil der Meeresspiegel
00:58:40: so weit gestiegen ist. Auch das wird nicht sein.
00:58:42: Und der dann 78-jährige Christoph Bautz hat immer noch Themen,
00:58:45: für die er sich einsetzen möchte.
00:58:47: Ja, er ist nicht am Rollator unterwegs, er läuft noch durch die Gegend,
00:58:50: er läuft heute schon häufig ein bisschen krumm, dann noch ein bisschen krummer
00:58:54: und ich hoffe, er erzählt nicht allzu viel den jungen Leuten damals,
00:59:00: als es noch die E-Mail gab, damals, als wir gegenüber dem Kastor saßen,
00:59:06: so müsst ihr es auch machen, sondern er kann so ein bisschen nicht zu sehr alterweiser Mann sein.
00:59:12: Ich freue mich drauf, wenn wir uns im Jahr 2050 genau da und genau so wieder
00:59:16: treffen Ich danke dir vielmals für das Gespräch und für all die Einsichten und
00:59:20: für deinen Besuch bei Damit die Guten gewinnen Danke,
00:59:24: Das war Damit die Guten gewinnen Wenn dir die Folge gefallen hat,
00:59:27: abonniere unseren Kanal gerne auf YouTube oder auf der Podcast-Plattform Deiner
00:59:30: Wahl, ich würde mich sehr freuen, wenn du demnächst wieder reinhörst.
00:59:33: Music.
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